AW: Mythologie und Archäologie
Du wiederholst Dich! Wissenschaft ist aber nun mal nicht so etwas wie eine Mode, wo nur das allerneueste Hemd der letzte Schrei ist! Theoretische Diskussionen zeichnen sich durch Nachhaltigkeit aus. Du bestätigst zudem voll meine interdisziplinären Erfahrungen, dass man mit Physikern theoretische Diskussionen auf hohem und höchstem Niveau führen kann, Biologen dagegen in der Diskussion mit methodisch geschulten Geisteswissenschaftlern eklatante Defizite zeigen, was das Methodendenken angeht, und sich sehr schnell einfach aus der Diskussion ausklinken.
Es kostet einfach zu viel Zeit, mich immer zu wiederholen. Ich fasse deshalb nur kurz einige Punkte zusammen:
1. Du verkennst völlig die Funktion von klassischen Texten wie denen von Darwin, in denen sich eine Theorie konstituiert hat. In Methodendiskussionen kommt man immer wieder auf die Klassiker zurück, weil hier alle Methodenprobleme, an denen sich die folgenden Generationen abmühen, grundlegend formuliert sind und auch die verschiedenen Lösungswege, die sich abzeichnen. Das tun sie mit einer Klarheit, die die Diskussion verliert, wenn sie sich nur in dem Aktuellen beschäftigt, wo man dann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Natürlich ist die Akkumulation ein, wenn nicht das zentrale Problem der Evolutionstheorie. Das erkennt man bei Darwin - und versteht eben auch besser, warum EES-Theoretiker damit immer noch ein Problem haben.
2. Man muss erst einmal einen Begriff von Gravitation haben, um von Gravitation überhaupt sprechen zu können. Post factum kann man dann so reden, dass Menschen auf der Erde eine Erfahrung davon gehabt haben, auch wenn sie keinen Gravitationsbegriff hatten. Ja, sie konnten beobachten was passiert, wenn ihnen der Felsbrocken auf die Füße fällt. Nur wussten sie einfach nicht, dass das Gravitation ist. Wenn es aber um den wissenschaftlichen Begriff geht, dann entscheidet das Modell darüber, um eine Beobachtung theoretische Bedeutung, sprich einen Erklärungswert hat oder nicht. Das Modell selektiert die Beobachtungsmöglichkeiten. Und deshalb gibt es auch was die wissenschaftliche Begriffsbildung angeht keine der Theorie vorgelagerte Beobachtung. Es gibt keine Tatsachen, sondern nur Interpretationen von Tatsachen, sagt deshalb die Wissenschaftstheorie.
3. Vor Kepler war die Astronomie nicht physikalisch und also auch die Gravitation an Himmelskörpern nicht beobachtbar. Das ist eine wissenschaftsgeschichtliche Tatsache (und nicht nur "meine Version", Du liest halt keine Wissenschaftsgeschichten) und zeigt, dass das Modell entscheidet, was beobachtbar ist und was nicht.
4. Linne ist ein schönes Beispiel für die Nachhaltigkeit von Theoriebildungen. Die Linnesche Klassifikation beruht nämlich auf der antiken porphyrianischen Definitionslogik von genus proximum und differentia specifica.. Und die setzt nun mal die Artenkonstanz voraus - ohne die es schlicht keine Möglichkeit gibt, ein Klassifikationssystem aufzustellen. Weil Du nicht methodisch denkst, hast Du das nicht verstanden. Der Mensch ist dem Affen ähnlich, deshalb unterscheidet er sich aber grundlegend von diesem durch die differentia specifica des logos (zoon logon echon)
5. Du und Bernd, ihr seid bei einem - populärdarwinistischen - und vorkritischen Verständnis von "Teleologie" stehen geblieben. Die Evolutionstheorie bestreitet, dass es eine Entwicklungsteleologie gibt was die Evolutionsgeschichte im Ganzen angeht. Insofern ist die Entstehung des Menschen zufällig. Was aber nichts daran ändert, dass biologische Begriffsbildungen teleologisch sind und auch nur teleologisch sein können. Denn anderenfalls wären sie nicht von physikalischen Begriffsbildungen zu unterscheiden. Bei Darwin gibt es keine Entwicklungsteleologie mehr, dafür aber eine Teleologie der Anpassung. Systemtheoretiker unter den Biologen wie v. Uexkuell und Maturana bestreiten auch diese Anpassungsteleologie. Was aber wiederum nicht heißt, dass die Teleologie verschwunden wäre. Sie taucht nur an anderer Stelle wieder auf - in der Selbstreferentialität von Systembildungen nämlich, der Systemstabilisierung in der strukturellen Kopplung. Dazu muss man allerdings in der Lage sein, diese hoch abstrakten Theoriediskussionen mitvollziehen zu können.
6. Heute gibt es Gentechnologie. Da gibt es nun ganz andere Möglichkeiten, das Modell der Züchtung zu bestätigen. Komischer Weise kommt Dir dieser Gedanke nicht!
Schöne Grüße
Holger
Zitat von Babak
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Es kostet einfach zu viel Zeit, mich immer zu wiederholen. Ich fasse deshalb nur kurz einige Punkte zusammen:
1. Du verkennst völlig die Funktion von klassischen Texten wie denen von Darwin, in denen sich eine Theorie konstituiert hat. In Methodendiskussionen kommt man immer wieder auf die Klassiker zurück, weil hier alle Methodenprobleme, an denen sich die folgenden Generationen abmühen, grundlegend formuliert sind und auch die verschiedenen Lösungswege, die sich abzeichnen. Das tun sie mit einer Klarheit, die die Diskussion verliert, wenn sie sich nur in dem Aktuellen beschäftigt, wo man dann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Natürlich ist die Akkumulation ein, wenn nicht das zentrale Problem der Evolutionstheorie. Das erkennt man bei Darwin - und versteht eben auch besser, warum EES-Theoretiker damit immer noch ein Problem haben.
2. Man muss erst einmal einen Begriff von Gravitation haben, um von Gravitation überhaupt sprechen zu können. Post factum kann man dann so reden, dass Menschen auf der Erde eine Erfahrung davon gehabt haben, auch wenn sie keinen Gravitationsbegriff hatten. Ja, sie konnten beobachten was passiert, wenn ihnen der Felsbrocken auf die Füße fällt. Nur wussten sie einfach nicht, dass das Gravitation ist. Wenn es aber um den wissenschaftlichen Begriff geht, dann entscheidet das Modell darüber, um eine Beobachtung theoretische Bedeutung, sprich einen Erklärungswert hat oder nicht. Das Modell selektiert die Beobachtungsmöglichkeiten. Und deshalb gibt es auch was die wissenschaftliche Begriffsbildung angeht keine der Theorie vorgelagerte Beobachtung. Es gibt keine Tatsachen, sondern nur Interpretationen von Tatsachen, sagt deshalb die Wissenschaftstheorie.
3. Vor Kepler war die Astronomie nicht physikalisch und also auch die Gravitation an Himmelskörpern nicht beobachtbar. Das ist eine wissenschaftsgeschichtliche Tatsache (und nicht nur "meine Version", Du liest halt keine Wissenschaftsgeschichten) und zeigt, dass das Modell entscheidet, was beobachtbar ist und was nicht.
4. Linne ist ein schönes Beispiel für die Nachhaltigkeit von Theoriebildungen. Die Linnesche Klassifikation beruht nämlich auf der antiken porphyrianischen Definitionslogik von genus proximum und differentia specifica.. Und die setzt nun mal die Artenkonstanz voraus - ohne die es schlicht keine Möglichkeit gibt, ein Klassifikationssystem aufzustellen. Weil Du nicht methodisch denkst, hast Du das nicht verstanden. Der Mensch ist dem Affen ähnlich, deshalb unterscheidet er sich aber grundlegend von diesem durch die differentia specifica des logos (zoon logon echon)
5. Du und Bernd, ihr seid bei einem - populärdarwinistischen - und vorkritischen Verständnis von "Teleologie" stehen geblieben. Die Evolutionstheorie bestreitet, dass es eine Entwicklungsteleologie gibt was die Evolutionsgeschichte im Ganzen angeht. Insofern ist die Entstehung des Menschen zufällig. Was aber nichts daran ändert, dass biologische Begriffsbildungen teleologisch sind und auch nur teleologisch sein können. Denn anderenfalls wären sie nicht von physikalischen Begriffsbildungen zu unterscheiden. Bei Darwin gibt es keine Entwicklungsteleologie mehr, dafür aber eine Teleologie der Anpassung. Systemtheoretiker unter den Biologen wie v. Uexkuell und Maturana bestreiten auch diese Anpassungsteleologie. Was aber wiederum nicht heißt, dass die Teleologie verschwunden wäre. Sie taucht nur an anderer Stelle wieder auf - in der Selbstreferentialität von Systembildungen nämlich, der Systemstabilisierung in der strukturellen Kopplung. Dazu muss man allerdings in der Lage sein, diese hoch abstrakten Theoriediskussionen mitvollziehen zu können.
6. Heute gibt es Gentechnologie. Da gibt es nun ganz andere Möglichkeiten, das Modell der Züchtung zu bestätigen. Komischer Weise kommt Dir dieser Gedanke nicht!
Schöne Grüße
Holger
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