AW: Das Problem der Reproduktion (1)
Leider muß ich konstatieren, dass das von mir vorgestellte Deleuze-Denkmodell offenbar schwieriger zu begreifen ist als gedacht. Es geht in keiner Weise darum, das Paradigma "Reproduktion" durch das der "Produktion" zu ersetzen, sondern "Reproduktion" als "Wiederholung" zu begreifen, zu der Variabilität konstitutiv gehört. Beim Reproduktionsmodell wird dagegen am Ideal der "identischen" Reproduktion festgehalten und die Veränderung als Störgröße betrachtet, als irreguläre Abweichung, die es zu eliminieren gilt. Das ginge hier nur - und dieser Punkt ist inzwischen wohl deutlich geworden - wenn man Neutralität ganz ohne den Hörer definieren könnte, was aber offensichtlich (das zeigen die Beiträge von Jakob) unmöglich ist.
Und was soll die Gegenthese dann besagen: Eine Anlage spielt dann neutral, wenn sie überhaupt für gar keine Musik gemacht ist, die sie richtig abspielt, sondern z.B. nur für Meßtöne, die eindeutig technisch definierbar sind????
Auch da ist das Deleuze-Modell nicht verstanden worden. Es geht nicht darum, das Rerproduktionsverhaltnis von Original-Kopie durch die Reproduktionskette einfach nur zu verlängern. Dann käme man in der Tat in die hier beschriebene absurde Situation. Es gibt kein Original und keinen Ursprung. Es geht lediglich darum, dass man eben in Kauf nimmt, dass eine "perfekte" Aufnahme vielleicht eine Winzigkeit weniger perfekt "neutral" wiedergegeben wird, damit eine unperfekte auch annähernd neutral klingt.
Dieser Denkansatz ist mal wieder moralistisch und nicht pragmatisch. Es macht aber kein Sinn beim Verhältnis Anbieter-Konsument, dass der Anbieter dem Konsumenten Vorschriften macht, welche Bedürfnisse er zu haben hat oder nicht. Wenn eine Nachfrage da ist, dann wird sie befriedigt, und wenn ein Anbieter das eben nicht kann oder will, dann tut das ein anderer Anbieter. Es ist einfach Fakt, dass Kunden eine "individuell" klingende Anlage wollen. Davon leben schlicht eine ganze Reihe von Herstellern. Und es gibt auch genau den Fall, der hier aus theoretischen Gründen bestritten wird. Der Erfolg von Marantz beruht nicht zuletzt darauf, dass sie Geräte mit sehr gefälligem Eigenklang anbieten, der anders als bei vielen Briten eben nicht in Richtung Sounding geht, sondern im "neutralen" Bereich bleibt. Diese "Marktlücke" hat der Hersteller also gut ausgefüllt. Es nützt nichts, so etwas in Abrede zu stellen. So funktioniert einfach der Markt.
Du wirst Dich vielleicht wundern, dass ich diese Argumentation sehr wohl sehr gut nachvollziehen kann. Dazu habe ich mich selbst oben noch einmal zitiert. Das ist letztlich die Frage der für den Produktionsvorgang nötigen Komplexitätsreduktion und an welcher Stelle man Komplexität ins System dann pragmatisch gesehen reinläßt oder nicht reinläßt. Bei einem Flügel fängt man ja auch nicht mit der Intonation an, bevor man das Instrument zusammengebaut hat. Aber an irgend einer Stelle muß solche Annpassungs-Komplexität dann doch ins System rein.
Bruce, Du verwechselst hier zwei Dinge. Bei der Annäherung an das Ideal (Wiedergabe für Kopfhörer oder für LS) geht es um die Ermittlung der jeweiligen Reproduktionskonstante, aber gerade nicht um die Anpassungsvariablen, die beim Hörvorgang ins Spiel kommen.
Schöne Grüße
Holger
Zitat von Holger Kaletha
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Zitat von Unregistriert
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Schöne Grüße
Holger
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