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... und das Schlagzeug dümpelt im Hintergrund

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    ... und das Schlagzeug dümpelt im Hintergrund

    Ich erobere mir langsam meine neue (alte) Anlage (Accu E 406, ProAc Response 3 und TEAC Esoteric P2s-D3) und höre endlich wieder bewusst Musik. Dabei ist mir heute wieder bewusst geworden, wie schlecht im Bereich des Jazz weit überwiegend das Schlagzeug aufgenommen ist. Entweder es "streut" über den ganzen Raum vom Vorder- bis zum Hintergrund, oder es dümpelt irgendwo im Hintergrund herum. Schon präzise ortbar und klar, aber viel zu klein und viel zu leise, um aufführungsgetreu zu sein.

    Beispiele von heute:

    1) Three Blind Mice
    eine Sammlung japanischer Aufnahmen wohl aus den 80er Jahren, aber ursprünglich analog.

    Der Bass bei den Trio-Aufnahmen karrt und schnarrt, dass es eine wahre Freude ist. extrem präzise und stabil ortbar. Das Klavier perlt brilliant und ebenso stabil ortbar, der Diskant-Anschlag kommt wie ein Hammerschlag herüber. Und hinter allem, in etwa 15 Meter (subjektiv) Entfernung spielt der arme Schlagzeuger einsam hinter einer Wand aus Säcken......

    2) Art Blakeys Jazz Messenger (etwa 1958)

    Alle Instrumente etwas weniger präsent. Der Flügel von Bobby Timmons stabil öinks und neben ihm gut ortbar Lee Morgan mit seiner Trompete. Rechts davon Bassist Jiymie Merit und Tenor-Saxophonist Benny Golson.

    Und - dezent im Hintergrund - und wie fast überall sonst auch: Der Meister Art Blakey. Etwas natürlicher zwar, als bei 3 blind mice, aber eben doch vergleichsweise stumpf und deutlich zu leise. so, als habe jemand die Hand auf die Trommelfelle und Becken gehalten, damits net so stört....

    Unter meinen rund 200 Jazz-CDs gibt es vermutlich KEINE (eventuell Jazz at the Pawnshop, aber da gefällt mir die Musikl nicht mehr so), wo die Drummer natürlich rüber kommen. Im Vergleich zum Bühnenklang und zu den anderen Instrumenten sind sie immer zu leise und/oder zu stumpf.

    Dass es nicht an meiner/meinen Anlage(n) liegt, weiß ich. Woran also?
    Liegts an der Unfähigkeit der Tonmeister, richtig abzumischen?

    Wer einmal (ist schon lange her, ich weiß, es war in den frühen 60ern des vergangenen jahrhunderts) einen John Coltrane zusammen mit Drummer Elvin Jones und Pianist McCoy Tyner bei ihren langen Konzerten auf der Bühne erlebte, weiß, wovon ich rede. Da konnten sich die Melodie- und Harmonie-Instrumente überhaupt nur mit Verstärker und Lautsprecher gegen das Schlagzeug durchsetzen. Es war Teil dieser Musik, dass endlich die Drums als eigenständiges Instrument begriffen wurden, nicht nur als Rhythmus-geber. Auf den Platten findet das in dieser Form nicht annähernd statt. (Übrigens kam man aus diesen Konzerten trotz der gigantischen Lautstärke der Drums stets ohne brummende Ohren heruas, anders als bei Popkonzerten)

    Warum sollte es unmöglich sein, eine solche Atmosphäre bei Aufnahmen zu rekonstruieren? Muss man denn dazu den Schlagzeuger hinter eine Wand aus Karton und Decken verstecken, wie es oft geschieht? Oder kenne ich nur schlechte Aufnahmen???? Fast immer ist es so, dass alle Instrumente "passen", und die Drums dazu-gestümpert sind.

    Ich bin sicher, hier gibts Experten, die mir (auch Musik)-Tips geben können.

    #2
    Hallo

    Original von ChristianFuerst
    Der Bass bei den Trio-Aufnahmen karrt und schnarrt, dass es eine wahre Freude ist. extrem präzise und stabil ortbar. Das Klavier perlt brilliant und ebenso stabil ortbar, der Diskant-Anschlag kommt wie ein Hammerschlag herüber. Und hinter allem, in etwa 15 Meter (subjektiv) Entfernung spielt der arme Schlagzeuger einsam hinter einer Wand aus Säcken......
    Bei Studioaufnahmen spielt(e) sich sowas auch in der Praxis oft so ähnlich ab. Das ist wegen des Übersprechens der Peaks auf die Mikrofone der anderen Musiker notwendig oder vorteilhaft, und das was davon noch übrigbleibt erzeugt dann diesen starken Entferungseindruck, maßgeblich ist die Anfangszeitlücke vom Originalschall bis zum Einsetzen der ersten Reflexionen und des Nachhalls (die eher mittenlastig sind) . Das Schlagzeug -- speziell das Blech -- wirkt dabei auch dadurch dumpfer, weil die naturlichen Verhältnisse der empfundenen Lautstärken einzelner Frequenzbereiche nicht mehr stimmen, was durch die pegelabhängige Empfindlichkeit der Hörens bei versch. Frequenzen kommt.

    Es gibt noch weitere produktionstechnische Gründe für das Mischen des Schlagzeugs in den (Pegel-)Hintergrund. z.B. gab es bis vor kurzem noch kaum ausreichend schnelle aber gleichzeitig sauber klingenden Pegelkompressoren/Limiter, die die kurzen Attacks speziell von der Snare unauffällig bremsen konnten. Diese Peaks sind im Vergleich zum Durchnittspegel (der Drums wie dem Rest) sehr hoch. Jedoch bekommt man nur eine bestimmte Maximamplitude auf die Platte geschnitten. Man hat die Wahl, entweder den gesamten Durchnittspegel so niedrig zu legen dass die Peaks noch schneidbar/abspielbar sind, oder man versucht sie abzufangen bzw den Durchnittspegel der Drums zu erhöhen. Früher hat man dazu teilweise bewusst, aber weich übersteuerte (Röhren-)Verstärker verwendet, was oft immer noch besser klingt als mancher Kompressor, "schön" ist es aber beides nicht. Oder als dritte Wahl fährt man das Schlagzeug halt ingesamt leiser, oder vielmehr kombiniert alle drei Möglichkeiten maßvoll.

    Ich denke ausserdem, dass auch künstlerische Aspekte eine Rolle spielen. Bei vielen Musikern/Produzenten sitzt das Denken "Schlagzeug=Begleitung" tief, und aus diesem (für die Mehrzahl der Menschen ja richtigem) Denken wird ein Vorgehen, welches aufnahmetechnisch die klassischen Solisten bevorzugt, noch verständlicher, zusammen mit den technischen Herausforderungen.


    Ich habe eine Jazz-Scheibe, bei der mE dieses Dilemma sehr gut gelöst wurde, ein Direktschnitt von Charlie Byrd (1977 Crystal Clear Records, CCS8002):


    Dort haben wir Schlagzeug, Bass, Posaune, Querflöte und die spanische Gitarre des Meisters. In "echt" hätte speziell die Gitarre ja keine Chance gegen die Drums, also wurde das Schlagzeug entsprechend leiser gemischt, aber trotzdem sehr präsent, druckvoll und mit einem irren Attack (ist halt auch ein 45RPM-Direktschnitt, mit einem "audiophil legendären" Drumsolo). Die Platte ist mE auch einer der besten Direktschnitte sowohl klanglich wie musikalisch/künstlerisch (auch gerade wegen leichter Patzer, wegen denen man bei Bandaufnahme halt einfach noch einen Take gemacht hätte, und noch einen... bis der Drive dann leider meist komplett draussen ist). Ein extrem kompakter Live-Eindruck stellt sich ein, weil die Pegel der Instrumente zwar "unecht" aber künstlersich sinnvoll angepasst wurden, aber ohne dass die Aufnahmequalität der Instrumente dadurch leidet. Vor solchen Tonmeistern ziehe ich echt meinen Hut (und vor der Musikern sowieso).

    Ich besitze aber Jazzscheiben (sind insgesamt nicht so viele), wo zwar die Pegelverhältnisse auch stimmen, aber diese Dumpfheit/Dünnheit und zu große Entfernung der Drums auftritt. Eigentlich ist es echt bei den meisten so. Und, pauschalisierend, je älter, desto schlimmer...

    Grüße, Klaus

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      #3
      Original von KSTR

      Ich habe eine Jazz-Scheibe, bei der mE dieses Dilemma sehr gut gelöst wurde, ein Direktschnitt von Charlie Byrd (1977 Crystal Clear Records, CCS8002):
      Danke für den Tip, Klaus, und die Erläuterungen, die mir Stimmig erscheinen. Aber im Zeitalter der Mondlandungen und des Marsflugs sollte da doch eigentlich eine Lösung möglich sein.

      Zur Platte: Gibts die heute noch als CD?

      Danke und Gruß
      Christian

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        #4
        Original von ChristianFuerst
        Zur Platte: Gibts die heute noch als CD?
        Ja, wobei ich nicht weiss ob die Übetragung auf CD gut gelungen ist und wo man diese bekommt. Es sind auch ein paar Titel mehr drauf.


        Grüße, Klaus

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