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Klirrender Flügel, drahtige Streicher. Qualitätsmängel handelsüblicher CDs

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    Klirrender Flügel, drahtige Streicher. Qualitätsmängel handelsüblicher CDs

    Die Schallplattenindustrie ist nun schon seit Jahren in der Krise. Statt teurer Neuproduktionen hat sie sich deshalb auf preiswerte Wiederveröffentlichungen ihrer historischen Bestände verlegt. Man bekommt nun dieselben Aufnahmen entweder in preiswerten Serien oder aber es werden manchmal auch zur Freude des Sammlers alte, lange vermißte Aufnahmen wieder auf den Markt gebracht. Geworben wird u.a. mit verschiedenen Digitalüberspielungen in moderner 20 oder 24 bit Technik, die deutlich besseren Klang liefern sollen. Technisch gesehen ist es heute zudem möglich, die 16 bit auf der CD für das Musiksignal voll auszunutzen, während bei den allerersten CD-Überspielungen nur 12 bit zur Verfügung standen, die anderen 4 bit wurden für diverse Steuerbefehle gebraucht! Was nun genau für die teilweise erheblichen Klangunterschiede verantwortlich ist, mag dahingestellt sein, die ganz alten CD-Überspielungen haben doch in vielen Fällen ganz erhebliche Mängel! Meine Erfahrung: Die neueren Überspielungen haben eine deutlich substanzreicheren Baßbereich und klingen im ganzen deutlich differenzierter, farbiger und runder. Die alten Überspielungen gefallen oft im ersten Moment mehr durch einen präsenteren. etwas auratischeren Hochtonbereich. Das entpuppt sich aber nach einiger Zeit als Täuschung, als tonale Unausgewogenheit: Baß und Hochtonbereich sind präsenter wegen eines >Lochs< im Mitteltonbereich. Der Hochtonbereich der neuen Aufnahmen gewinnt, wenn man nur ein wenig die Lautstärke erhöht. Konkrete Beispiele: RCA Vladimir Horowitz plays Rachmaninow und die neue 24 bit Überspielung des 3. Klavierkonzerts und der 2. Klaviersonate. Auf der alten Überspielung klingt bei der Sonate der Flügel fast schon metallisch hart und baßschwach mit unglaublichen Klirrverzerrungen im langsamen Satz. (Wer die LP besitzt, weiß, daß diese Aufnahme eigentlich eher voll und angenehm rund klingt!) Ähnlich die 20 bit Überspielung von Glenn Goulds Brahms-Klavierstücken (CBS/Sony) im Vergleich zur ersten damals käuflichen CD. Leider können es sich die Tontechniker manchmal nicht verkneifen, bei historischen Aufnahmen das Rauschen herauszufiltern. Die Folge ist etwa bei Artur Rubinstein (Beethoven Klaviersonaten, RCA), daß bei der 24 bit Überspielung der singende Oberton des Steinways verschwindet. Ich ziehe hier die 20 bit Version vor, auch wenn der Flügel nicht ganz so großräumig-präsent klingt, wie typischer Weise bei der 24 bit Version! Eine besondere Sünde der Tontechniker mangels musikalischem Sachverstand und falscher Routine: Debussy Preludes Heft 1 mit Arturo Benedetti Michelangeli (Aufnahme DGG). Michelangeli läßt am Ende mancher Preludes den Flügel vollständig ausklingen, man hört, wie sich der Klang im Verlieren allmählich auflöst. Karlheinz Stockhausen hat aus diesem Ausklingen ein Kompositionsprinzip gemacht, das er >Dekomposition< nennt - vor allem in seinen elektronischen Kompositionen kommt es häufig zur Anwendung. Was machen die Tontechniker: Sie blenden Michelangelis ausgehörte >Dekomposition< einfach aus nach dem Motto: Warum soll der Hörer auf die nächste Nummer so lange warten? Das ist auch noch rein technisch betrachtet völlig unnötig, weil die ganze CD nur kurze 45 min. Spieldauer hat! Was man also auf der LP aufregend nacherleben konnte, ist auf keiner CD-Überspielung mehr zu hören! Eine Todsünde gegen wahrlich große Kunst der Interpretation! :U

    #2
    Wobei im Einzelfall natürlich immer schwer zu sagen ist, WAS genau falsch gemacht wurde. Liegt es nur an der 16bit-Auflösung, oder war vielleicht auch die Bandmaschine nicht richtig eingemessen, wurde irgendeine zweifelhafte Bandkopie benutzt, wurden minderwertige EQs u.ä. dazwischengeschaltet, usw.
    Da kann so viel schief laufen.
    Selbst wenn man verschiedene Ausgaben der alten Original-LPs vergleicht, differieren die teilweise schon recht stark, gerade auch beim genannten Beispiel RCA.

    Gruß,
    Markus

    P.S. Dekomposition bei Stockhausen ist natürlich weit mehr als nur Ausklingen - aber ich denke, so war das auch nicht gemeint, oder?

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      #3
      Sie haben natürlich völlig recht. Zum Thema >Dekomposition< bei Stockhausen habe ich einen Aufsatz veröffentlicht (>Decomposition of the Sound Continuum. Serialism and Development from a Genetic-Phaenomenological Persepective<) in Perspectives of New Music, Washington D.C., Vol. 42, Nr. 1, Winter 2004.

      Beste Grüße
      Holger Kaletha

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        #4
        Hallo Holger

        Auch schon die ersten Cds aus den Frühen 80er jahren hatten die vollen 16 Bit allerdings noch ohne Tricks wie UV22 die erst in den frühen 90er Jahren in Erscheinung traten.

        Die Men At Work - Business As Usual von 1983 CBS CD hat jedenfalls 16Bit. Mir ist jedenfalls keinen CD mit nur 14 Bit + 2 Füllbits bekannt ausser neuere dts CDs bei denen die obersten 2 Bits nicht genutzt werden. Die laufen aber eh nur in verbindung mit einem dts Decoder sonst gibts nur gerausche.

        MfG Christoph

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          #5
          Interessant und sehr instruktuv, Deine dankenswerte Auskunft! Ich bin natürlich kein in solche Dinge eingeweihter Techniker und kann nur wiedergeben, was ich darüber gehört oder gelesen habe! Dann ist es wohl so, daß die Gründe doch allein in der unterschiedlichen Qualität der ganzen Digitalüberspielung liegen!

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            #6
            Kann man sich den Artikel auch irgendwo downloaden?
            Das würde mich sehr interessieren, da ich von Stockhausen alle Texte zur Musik komplett habe und auch sonst einiges an Sekundärliteratur (sämtliche LPs sowieso).

            Gruß,
            Markus

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              #7
              Das weiß ich leider nicht! Ich kann Dir aber einen Sonderdruck schicken(auch noch von einem älteren Aufsatz von mir über Schönberg, Busoni und Stockhausen), brauche dann natürlich Deine Adresse! Warst Du mal bei Stockhausens Kursen im Sommer?

              Beste Grüße
              Holger Kaletha

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                #8
                Sehr interessant.

                Dipl. Ing. Michael Liebig

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                  #9
                  Hallo zusammen

                  Bei der British Library wird der Artikel-Kauf und -Download unter diesem Link angeboten.

                  Gruss Beat
                  Make it or break it ;)

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                    #10
                    Warst Du mal bei Stockhausens Kursen im Sommer?
                    Ich bin jedes Jahr da.
                    Wohne ja zum Glück in der Nähe (ca. 1,5 Stunden Anfahrt).

                    Gruß,
                    Markus

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