Man entfernt sich mit dieser Haltung vom Werk und von der Musik an sich und läuft Gefahr, in einen nicht mehr verifizierbaren Subjektivismus und letztlich in qualitätszersetzende ästhetische Beliebigkeit abzugleiten.
Empfindungen als Ausdrucksqualitäten gehören selbstverständlich zum Werk. Das Problem beim Sensualismus ist, daß er nicht klar zwischen Ausdrucks- und Wirkungsqualität unterscheidet. Die Kritik am "Subjektivismus" der Gefühlsästhetik (Hanslick) hat mit dieser Unklarheit zu tun.
Das Problem beim Sensualismus ist, daß er nicht klar zwischen Ausdrucks- und Wirkungsqualität unterscheidet.
Genau das meinte ich unter anderem.
Aber sogar bei der Bestimmung eines Empfindungsausdrucks im Werk selbst bin ich schon sehr, sehr skeptisch!
Alleine schon, weil schlicht die Worte zur Beschreibung fehlen, wenn man sich nicht mit einer ganz groben Beschreibungsebene zufrieden geben will. Denn wenn man das, was die Musik sagt, auch mit Worten sagen könnte, wozu dann die Musik.
In einem "Forum für realitätsnahe Wiedergabe" hätte ich mir solche Diskussionen zur künstlerischen Ästhetik nie erwartet.
Ich bin sehr froh über solche Diskussionen und betrachte die Musik an sich noch immer als weit wichtiger als die Wiedergabetechnik.
Ich kann nur bei Klassik nicht mitreden und lese somit nur interessiert mit, was die die sich damit beschäftigen dazu zu sagen haben.
Gruß
David
WEBSEITE HiFiAKTIV: Klick mich Einen "Audio-Laien" erkennt man daran, dass er sich viel mehr mit Audiokomponenten beschäftigt als mit Raumakustik, LS-Aufstellung und Hörplatzwahl. Auch Personen, die noch wenig Wissen auf diesem Gebiet haben, oder solche, die Rat und Hinweise von Erfahrenen suchen, sind hier richtig. Meine Auffassung von seriösen Vergleichstests:Klick mich - Die bisherigen Testergebnisse:Klick mich - Private Anlage: Klick mich - Wann gefällt mir ein Musikstück? - Klick mich Grundsätzlich: Behauptungen die mir bedenklich erscheinen, glaube ich nur, wenn sie messtechnisch nachvollziehbar sind und wenn sie mir in Form eines verblindeten Vergleichs bewiesen werden konnten. Eine Bitte an Alle: nicht ganze (noch dazu große) Beiträge zitieren und darunter einen kurzen Kommentar schreiben! Besser (beispielsweise): "Volle Zustimmung zu Beitrag 37". Wichtig: zumindest versuchen, beim Thema bleiben!
Wenn ich an meinen Fender Fretless ordentlich in die H-Saite (dafür keine G-Saite) knalle und dann meine Scheidezähne an's obere Korpushorn brächte, tät's die mir glatt raushauen, so vibriert das Ding.
Ich spiele meinen Warwick (ebenfalls mit H-Saite) ausschließlich mit Plek, aber das Ding vibriert überhaupt nicht.
Wenn man die Saiten so wie du es beschreibst anreißt, dann mag das aber schon sein. Ich frage mich nur wozu das gut sein soll, ich drehe einfach den Verstärker lauter (ist ja kein unverstärkter Kontrabass wo man die Saiten so "anfetzen" muss).
Gruß
David
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könnte es sein, dass ihr ein wenig aneinander vorbeiredet ?
Holger hat versucht aus historischer Sicht eine bestimmte Auffassung über die Musikbedeutung darzulegen, nämlich die Auffassung, die Kants Ansicht über Musik zu Grunde gelegen hat. Er wollte - so habe ich ihn verstanden - keinesfalls behaupten, dass diese Auffassung auch heute noch gilt, oder das sie gar die zur zeit vorherrschende ist. Deshalb macht es eigentlich auch wenig Sinn, über eine solche Meinung, die wohl musiktheoretisch überholt sein dürfte, zu Streiten.
Ein ganz anderes Thema ist natürlich, ob diese Rezeptionshaltung nicht auch heute noch als eine quasi "naive" Haltung ausserhalb Musiktheorie eine gewisse Bedeutung hat ? Aber selbst in der Pop-Musik dürfte man über reine Empfindungsbedeutung hinaus sein. Es gibt sehr komplexe Pop-Produktionen, die auf mehr zielen, als bloße Empfindungserzeugung. Im jazz ist es vielleicht noch deutlicher.
Aber sogar bei der Bestimmung eines Empfindungsausdrucks im Werk selbst bin ich schon sehr, sehr skeptisch!
Alleine schon, weil schlicht die Worte zur Beschreibung fehlen, wenn man sich nicht mit einer ganz groben Beschreibungsebene zufrieden geben will. Denn wenn man das, was die Musik sagt, auch mit Worten sagen könnte, wozu dann die Musik.
Da bemühst Du den romantischen Unsagbarkeitstopos. Aber selbst die Romantiker haben Musik beschrieben. Wogegen sie etwas hatten, wird bei Schumann deutlich. Schumann hatte nicht an sich etwas gegen Programme, sondern nur dann, wenn sie detailliert ausgeführt sind. Die Romantiker haben z.B. gesagt, daß Musik so etwas wie Ahnungen und Sehnsucht ausdrücken kann - aber eben keine bestimmten Vorstellungen.
Daß der Empfindungsausdruck zum Werk gehört - ein schönes Beispiel ist die barocke Figurenlehre. Im Hintergrund steht die musikalische Rhetorik, der zufolge die Musik eine "Klangrede und Tonsprache" ist (Johann Mattheson), welche das Verständnis von Musik Jahrhunderte lang prägte. Die musikalische Deklamation wird in Verbindung gebracht mit der Auslösung von ganz bestimmten Affekten und die werden dann in der Kompositionslehre systematisch erfaßt, vom Komponisten Musik entsprechend sprachlich codiert, wie eine "Vokabel" verwendet, die jeder Hörer auf Anhieb versteht. Und jede dieser Figuren hat einen Namen. Eine berühmte Figur ist z.B. der "passus duriusculus", der Schmerz und Leiden ausdrückt. Selbst Gustav Mahler verwendet diese Figur noch in der 6. Symphonie (Ende der Exposition 1. Satz). Der Interpret von Barockmusik oder solcher aus dem 18. Jahrhundert (Beispiele: Bach, Rameau oder Couperin) sollte diese Figuren unbedingt kennen, sonst wird die Interpretation nichtssagend im wahrsten Sinne des Wortes. Cembalisten lernen das auch noch im Studium, Pianisten leider nicht. Deswegen hat mein verehrter Lehrer nachträglich Unterricht bei einem befreundeten Cembalisten genommen.
Ein ganz anderes Thema ist natürlich, ob diese Rezeptionshaltung nicht auch heute noch als eine quasi "naive" Haltung ausserhalb Musiktheorie eine gewisse Bedeutung hat ? Aber selbst in der Pop-Musik dürfte man über reine Empfindungsbedeutung hinaus sein. Es gibt sehr komplexe Pop-Produktionen, die auf mehr zielen, als bloße Empfindungserzeugung. Im jazz ist es vielleicht noch deutlicher.
Meinst Du wirklich? Ich finde gerade der Videoclip spricht für das Gegenteil. Musik spielt nur noch eine untergeordnete Rolle und im Vordergrund steht die Animation. Wichtig ist nicht primär die Musik, sondern das, was sie alles auslöst (was "anmacht", im Jargon gesprochen). Das ist geradezu die Verabsolutierung der Wirkungsästhetik. Selbst manche Pop-Hörer, die mit der Beatles-Generation groß geworden sind, kritisieren das. Ich kannte mal einen, der sagte es genau so.
Daß Musik in unterschiedlichen Rezeptionshaltungen gehört wird, das untersucht die Musikpsychologie. Eine klassische experimentelle Untersuchung, auf die ich mich beziehe, ist die von Kurt Huber über den Ausdruck musikalischer Elementarmotive. Kurt Huber, Philosoph und Musikwissenschaftler, der in München lehrte, war Mitglied der "Weißen Rose" und wurde - tragisch - 1945 von den N a z i s erschossen.
Seh ich auch so. Drum kann ich auch mit Programmmusik nichts anfangen.
Die Musik verdoppelt ja auch nicht einfach das, was die literarische Vorgabe sagt, sondern es entsteht ein Drittes aus der Verbindung von Musik und Dichtung. "Taras Bulba" von Janacek z.B. erzählt nicht einfach die Gogol-Geschichte nach. Die Vorstellung, daß Programmmusik mangelnde formale Schlüssigkeit durch "Bedeutung" kompensiert, ist ein polemisches Klischee. Richard Strauß unterschied deshalb "Programmmusik" und "Literaturmusik".
Ja, das meine ich wirklich. Es gibt nämlich auch jenseits solcher Videoclips noch populäre Musik, die nicht rein auf Empfindung und Effekte abzielt. Man muss ich darum allerdings ein wenig bemühen. Das ist aber nicht anders, wie in der klassischen Musik. Auch da gibt es Blender und ernsthafte Musiker.
Daß der Empfindungsausdruck zum Werk gehört - ein schönes Beispiel ist die barocke Figurenlehre. Im Hintergrund steht die musikalische Rhetorik, der zufolge die Musik eine "Klangrede und Tonsprache" ist (Johann Mattheson), welche das Verständnis von Musik Jahrhunderte lang prägte.
Das ist schon richtig.
Nur habe ich dagegen zwei Einwände.
- Was passiert in den Takten, in denen sich keine eindeutig entsprechend zuordbaren Figuren und Texturen befinden (also den meisten)? Welche Empfindungen werden da transportiert bzw. angesprochen?
- Es scheint letztlich nur ein semiotischer Code zu sein, der nicht universal für alle Epochen und Kulturen gilt.
Schwer zu sagen.
Bernstein versuchte z.B. mal unter Berufung auf Chomsky nachzuweisen, dass es eine inhärente semantische Logik in der Musik gibt.
Aber diese Vergleiche hinken immer irgendwie.
musik IST sprache - und musik ist magie - so verstanden, dass sie wirkung zeigt: aufs gemüt, auf stimmung, emotionen etc.
aber um auch wieder eine brücke zum blindtest zu schlagen:
"Noch ein paar Gedanken, die auch das Thema "Goldohren, Blindtests" betreffen.
Bekanntlich besteht das Hören aus zwei miteinander verbundenen Prozessen - der (mehr oder weniger) rein physiologischen Verarbeitung der akustischen Signale (bottom-up) und der eher psychologischen Interpretation der Signale zum eigentlichen "auditiven Ereignis" (top-down)":
Aus Blauert Braasch Acoustic Communication: The Precedence Effect
Der bottom-up Prozess ist weitestgehend "fest verdrahtet". Ein akustisches 400 Hz-Signal wird sogar in der Hörrinde noch als 400 Hz-Folge von Nervenimpulsen repräsentiert. Eine derartige 1:1 Entsprechung gibt es in der Sehrinde z. B. nicht mehr. Formen und Farben werden nicht direkt abbildend im Hirn repräsentiert. Das hat zur Folge, dass "400 Hz" von allen Menschen exakt gleich wahrgenommen wird - was für die Farbe "Rot" höchstwahrscheinlich nicht zutrifft.
Der bottom-up Prozess kann aber aus einem Gemisch verschiedener Frequenzen z. B. noch nicht ein Instrument mit einer bestimmten Klangfarbe identifizieren oder gar zwei gleichzeitig spielende verschiedene Instrumente auseinander halten. Dazu wird der top-down Prozess benötigt. Dieser entsteht erst ( oder besser gesagt: Er wird erst gefüllt) mit dem "Hörenlernen" von frühester Kindheit an - beginnend im Mutterleib.
Dieser Prozess ist für alle Menschen nur so gleich, wie ihre Hörerfahrungen gleich sind. Das heißt: es gibt deutliche Unterschiede. Außerdem wird dieser Prozess selbst bei exakt gleichem akustischen Input nicht immer das exakt gleiche Hörerlebnis produzieren. Bereits Unterschiede in der aktuellen Konzentrationsfähigkeit oder Fokussierung beim Hören können schnell zu anderen Ergebnissen führen.
Was hat das mit Goldohren und Blindtests zu tun? Häufig nehmen "Goldohren" für sich in Anspruch, dass die feinen Veränderungen, die sie wahrnehmen, sich nicht in plumpen Sinustönen zeigen, sondern nur in komplexer Musik als winzige räumliche, klangliche oder zeitliche Details hörbar sind. Sie ziehen sich damit, vielleicht ohne es selbst zu wissen, aus der Ebene einer objektiv eindeutigen Wahrnehmung auf die einer subjektiv mehrdeutigen Wahrnehmung zurück. Dieses Hören von Veränderung ist für den Einzelnen vollkommen überzeugend. Es kann aber weder auf jemand anders übertragen werden noch lässt es sich zu einem anderen Zeitpunkt exakt gleich wiederholen.
Vielen Menschen ist leider dieser Übergang von der objektiv eindeutig reproduzierbaren Wahrnehmung grober musikalischer Sachverhalte zur subjektiv mehrdeutigen Empfindung komplexer musikalischer Details nicht bewusst."
__________________ www.dipolplus.de
gruß alex
Das ist schon richtig.
Nur habe ich dagegen zwei Einwände.
- Was passiert in den Takten, in denen sich keine eindeutig entsprechend zuordbaren Figuren und Texturen befinden (also den meisten)? Welche Empfindungen werden da transportiert bzw. angesprochen?
- Es scheint letztlich nur ein semiotischer Code zu sein, der nicht universal für alle Epochen und Kulturen gilt.
Wer sagt denn, daß Musik in jeder Note ausdrucksvoll sein muß? Es reicht doch, daß Ausdrucksqualitäten einer melodischen Phrase u. dgl. zugeschrieben werden und nicht als Zustände in mir selbst erlebt werden. Ich kann die Traurigkeit einer Melodie erfassen auch wenn ich heiter gestimmt bin.
Eine Sprache muß auch nicht von allen verstanden werden - nicht jeder versteht Chinesisch. Daß das Verstehen von Musik durch eine kulturelle Habitualisierung vermittelt ist, das sagt schon Rousseau. Deswegen ist die Zuordnung von Wahrnehmungs- und emotionalen Qualitäten aber nicht einfach beliebig, wie etwa Hanslick unterstellt.
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