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    Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
    Selbstverständlich denke ich in der Hinsicht nicht mehr tonal. Wir sind ja schließlich durch die serielle Schule gegangen. Und da kann es dann nur noch gleichzeitig oder in Abfolge erklingende Einzelfrequenzen geben.
    Ja, was für die "serielle Schule" gilt (Stockhausens "Musik als Tonordnung") kann man aber nicht auf alle Musik übertragen. Selbst bei Schönberg würde das nicht klappen.

    Beste Grüße
    Holger

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      Ich sage ja nicht, dass Schönberg oder noch ältere Komponisten ihre Musik so konzipiert haben - nur dass man sie so analysieren kann.
      Ich denke, das ist legitim.
      Ähnlich wie in der wissenschaftlichen, d.h. nicht feuilletonistischen Literaturkritik. Natürlich gab es zur Zeit Racines (nur ein Beispiel) keinen Strukturalismus und keine Tiefenpsychologie im engeren Sinne. Aber trotzdem kann man einen Text von Racine mit strukturalistischen oder tiefenpsychologischen Methoden analysieren, um so unter Umständen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

      Gruß,
      Markus

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        Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
        Ich sage ja nicht, dass Schönberg oder noch ältere Komponisten ihre Musik so konzipiert haben - nur dass man sie so analysieren kann.
        Ich denke, das ist legitim.
        Völlig einverstanden - analysieren kann man Musik immer, nur nicht wie eine mathematische Konstruktion.

        Beste Grüße
        Holger

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          Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
          Ich sage ja nicht, dass Schönberg oder noch ältere Komponisten ihre Musik so konzipiert haben - nur dass man sie so analysieren kann.
          Ich denke, das ist legitim.
          Ähnlich wie in der wissenschaftlichen, d.h. nicht feuilletonistischen Literaturkritik. Natürlich gab es zur Zeit Racines (nur ein Beispiel) keinen Strukturalismus und keine Tiefenpsychologie im engeren Sinne. Aber trotzdem kann man einen Text von Racine mit strukturalistischen oder tiefenpsychologischen Methoden analysieren, um so unter Umständen neue Erkenntnisse zu gewinnen.
          Machen wir es doch mal konkret mit dem Beispiel des Strukturalismus, das ist nämlich sehr aufschlußreich. Was sagt denn der Strukturalismus über Zeit? Der Strukturalismus rekonstruiert eine Ordnung, die nicht den Sinn einer chronologischen Entwicklung hat. Claude Levi-Strauss in "Mythologica": Man erzählt keine Geschichte der amerikanischen Mythologie nach in der Art: Erst gab es diesen Mythos, dann entwickelte sich daraus diese Variante, dann die nächste usw. usw. Statt dessen wird auf einer Metaebene eine mythische Struktur entworfen und die realen Mythen als deren "Permutationen". Diese permutierbare Struktur ist an sich völlig zeitlos. (In der Fachterminologie: Die Struktur ist nicht "diachronisch" sondern "synchronisch".) Stockhausen nennt so etwas "Momentform". Das zeigt sich schon in der Permutation selbst: Z.B. wird in krebsgängiger Umkehr der Reihe die Reihenfolge und Richtung der Töne umgekehrt, die Musik läuft erst vorwärts und dann von hinten nach vorne. Deshalb bemüht Schönberg das Gleichnis von Schwedenborgs Himmel, der einen richtungslosen Raum darstellt. Bei einer chronologischen zeitlichen Entwicklung kann man die Zeit aber nicht in dieser Weise umkehren, wir können nicht einfach aus dem Jahr 2012 in das Jahr 2011 zurück. Was soll diese strukturalistische Betrachtung nun aber bei nicht serieller Musik, bei einem Sonatensatz von Beethoven etwa bringen? Der Sonatensatz hat nun mal eine Chronologie: Die Reihenfolge Hauptthema, Überleitung, Seitenthema, Schlußgruppe, die Folge Exposition, Durchführung, Reprise. Die kann man unmöglich umkehren, ohne diese Form zu zerstören. Zum analytischen Verständnis einer solchen Entwicklungsform trägt die strukturalistische Betrachtung also rein gar nichts bei.

          Was heißt das nun grundsätzlich? Die grundlegende methodische Schwäche solcher Analyse-Ansätze ist, daß sie völlig unhistorisch sind. Barockmusik sollte man analysieren im Hinblick auf die Ästhetik des Barock, bei der Klassik und Romantik entsprechend ihr literarisch-ästhetisches Umfeld d.h. den jeweiligen Zeitkontext berücksichtigen. Die Analysemethode ist entsprechend jeweils eine andere. Einen "Generalschlüssel" der Analyse, der mir gleichsam alle Türen aufschließt, gäbe es nur in einer Welt, die völlig zeit- und geschichtslos wäre.

          Beste Grüße
          Holger

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            Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
            Für mich ist ehrlich gesagt die Frage der Rangordnung nicht so interessant. Philosophisch spannend ist, wieso es zu dieser Rangordnung kommt, welche ästhetischen Prämissen dahinter stehen. Die gilt es zu reflektieren. Ich treibe auch keine Metaphysik. Mich interessiert die Frage: Was gehört alles zu einem musikalischen Erlebnis und was kann Musik eigentlich ausdrücken? Da ist die sensualistische Betrachtung einseitig - reduziert Musik auf den Wirkungsaspekt.
            Habe inzwischen eines der gemeinten Stockhausen-Zitate gefunden:

            Music is the finest art, not only on this planet: to form vibrations into creations and to perceive these creations with our spirit – as weightless as at all possible, pure vibrations, air vibrations, music – and to recognize and perceive these air vibrations in the way we perceive people or objects in the physical life – that is the highest art which a person can achieve with his senses. To completely hear and understand acoustic creations, art creations made of sonic vibrations is – I believe – the highest art that one can experience and practise on this planet.

            Gruß,
            Markus
            Zuletzt geändert von Gast; 17.01.2012, 21:48.

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              Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
              Habe inzwischen eines der gemeinten Stsockhausen-Zitate gefunden:

              Music is the finest art, not only on this planet: to form vibrations into creations and to perceive these creations with our spirit – as weightless as at all possible, pure vibrations, air vibrations, music – and to recognize and perceive these air vibrations in the way we perceive people or objects in the physical life – that is the highest art which a person can achieve with his senses. To completely hear and understand acoustic creations, art creations made of sonic vibrations is – I believe – the highest art that one can experience and practise on this planet.
              Stockhausen dachte so, ich weiß! Und er steht da auch in einer Tradition. Es ist aber immer ein sehr selektiver Gesichtspunkts, wie man zu einer solchen absoluten Wertung kommt. Theoretisch jedenfalls wage ich eine solche Begründung nicht - Musiker und Komponisten als schöpferische Menschen dürfen es sich da freilich leichter machen, das ist ihr gutes Recht!

              Beste Grüße
              Holger

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                Ich habe entdeckt, dass Kathinka Pasveer vom Stockhausen-Verlag bzw. von der Stockhausen-Stiftung bei Facebook ist und sie sofort auf meine Freundesliste gesetzt. Sie stellt jede Woche mindestens ein Stockhausen-Zitat ein, und ich bin jetzt dadurch auch über sonstige Neuigkeiten immer automatisch auf dem Laufenden.
                Z.B. ist aktuell ein musikhistorisch sehr interessantes Buch in der Mache - die komplette Korrespondenz zwischen Stockhausen und Goeyvaerts aus den frühen 50ern. Das ist die Pionierzeit des Serialismus aus erster Hand, und ich werde mir das Buch selbstverständlich kaufen. Und wenn alles gut geht, sind auch Ende des Jahres sieben (!) weitere Bände "Texte zur Musik" fertig.
                Ein ganz tolles Buch ist übrigens "Ich hänge im Triolengitter" von Mary Bauermeister. Darin schildert sie ihr gemeinsames Leben mit Stockhausen - und die Frau schreibt wirklich gut, obwohl sie keine Schriftstellerin, sondern bildende Künstlerin ist. Das ist höchst lesenswert und unterhaltsam.

                Gruß,
                Markus
                Zuletzt geändert von Gast; 17.01.2012, 22:23.

                Kommentar


                  Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                  Ich habe entdeckt, dass Kathinka Pasveer vom Stockhausen-Verlag bzw. von der Stockhausen-Stiftung bei Facebook ist und sie sofort auf meine Freundesliste gesetzt. Sie stellt jede Woche mindestens ein Stockhausen-Zitat ein, und ich bin jetzt dadurch auch über sonstige Neuigkeiten immer automatisch auf dem Laufenden.
                  Z.B. ist aktuell ein musikhistorisch sehr interessantes Buch in der Mache - die komplette Korrespondenz zwischen Stockhausen und Goeyvaerts aus den frühen 50ern. Das ist die Pionierzeit des Serialismus aus erster Hand, und ich werde mir das Buch selbstverständlich kaufen. Und wenn alles gut geht, sind auch Ende des Jahres sieben (!) weitere Bände "Texte zur Musik" fertig.
                  Ein ganz tolles Buch ist übrigens "Ich hänge im Triolengitter" von Mary Bauermeister. Darin schildert sie ihr gemeinsames Leben mit Stockhausen - und die Frau schreibt wirklich gut, obwohl sie keine Schriftstellerin, sondern bildende Künstlerin, ist. Das ist höchst lesenswert und unterhaltsam.
                  Das sind ja sehr erfreuliche Nachrichten! Kathinka Pasveer kenne ich persönlich - eine wirklich sehr sympathische Person!

                  Beste Grüße
                  Holger

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                    Klar, natürlich kenne ich sie auch persönlich, das ergibt sich ja nahezu automatisch, wenn man viele Stockhausen-Konzerte besucht hat und auch nach seinem Tod weiterhin besucht. Sie ist nicht nur sympathisch, sondern wirklich eine fantastische Musikerin.
                    Und ich hatte mit ihr zu tun, als ich 2008 Stockhausen in Russland gespielt habe, weil da auch zwei der alten elektronischen Werke dabei waren und man sich die Aufführungen vom Verlag sozusagen lizenzieren lassen muss.

                    Gruß,
                    Markus

                    Kleine so unglaubliche wie witzige Geschichte von vor ein paar Wochen am Rande. Ein kleines russisches Label hat vor kurzem LPs mit Stockhausen-Stücken herausgebracht, die es bisher nur auf CD gab. Das kam mir irgendwie seltsam vor, deshalb habe ich beim Verlag angefragt, ob es sich dabei um autorisierte Ausgaben handelt. Klare Antwort: nein, der Verlag wusste noch nicht mal etwas davon. Und dann sind auch noch groteske Fehler auf den Covern - die frühe "Etude" wird dort als "Beton-Studie" bezeichnet. Ich fragte Frau Pasveer, was das soll, und sie kam gleich drauf: Die haben einfach das englische "concrete" mit "Beton" übersetzt, weil sie offenbar nicht wissen, was Musique concrète ist.
                    Natürlich hätte mir das auch sofort auffallen können, aber es war so absurd, dass ich um die Ecke gar nicht gedacht habe.
                    Zuletzt geändert von Gast; 17.01.2012, 22:08.

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                      Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                      Kleine so unglaubliche wie witzige Geschichte von vor ein paar Wochen am Rande. Ein kleines russisches Label hat vor kurzem LPs mit Stockhausen-Stücken herausgebracht, die es bisher nur auf CD gab. Das kam mir irgendwie seltsam vor, deshalb habe ich beim Verlag angefragt, ob es sich dabei um autorisierte Ausgaben handelt. Klare Antwort: nein, der Verlag wusste noch nicht mal etwas davon. Und dann sind auch noch groteske Fehler auf den Covern - die frühe "Etude" wird dort als "Beton-Studie" bezeichnet. Ich fragte Frau Pasveer, was das soll, und sie kam gleich drauf: Die haben einfach das englische "concrete" mit "Beton" übersetzt, weil sie offenbar nicht wissen, was Musique concrète ist.
                      Natürlich hätte mir das auch sofort auffallen können, aber es war so absurd, dass ich um die Ecke gar nicht gedacht habe.

                      :D Solche eklatanten aber auch witzigen Übersetzungsfehler kannte ich bisher hauptsächlich aus der Tourismusbranche. Wie kann man bloß auf die Idee kommen, Stockhausen auf Vinyl rauszubringen, aber nicht einmal so grundlegende Begriffe wie "Musique concrète" zu kennen. Und "Etude" wird ja normalerweise auch nicht übersetzt.

                      LG Karl

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                        Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                        Kleine so unglaubliche wie witzige Geschichte von vor ein paar Wochen am Rande. Ein kleines russisches Label hat vor kurzem LPs mit Stockhausen-Stücken herausgebracht, die es bisher nur auf CD gab. Das kam mir irgendwie seltsam vor, deshalb habe ich beim Verlag angefragt, ob es sich dabei um autorisierte Ausgaben handelt. Klare Antwort: nein, der Verlag wusste noch nicht mal etwas davon. Und dann sind auch noch groteske Fehler auf den Covern - die frühe "Etude" wird dort als "Beton-Studie" bezeichnet. Ich fragte Frau Pasveer, was das soll, und sie kam gleich drauf: Die haben einfach das englische "concrete" mit "Beton" übersetzt, weil sie offenbar nicht wissen, was Musique concrète ist.
                        Natürlich hätte mir das auch sofort auffallen können, aber es war so absurd, dass ich um die Ecke gar nicht gedacht habe.
                        Das ist wirklich grotesk und urkomisch! Ich habe Kathinka Pasveer mehrmals im Konzert erlebt und auch einige CDs von ihr - Stockhausens Stücke und die Mozart-Konzerte, die Stockhausen selbst dirigiert und wofür er Kadenzen geschrieben hat. Sie ist wirklich eine fabelhafte Flötistin - die Sachen von Stockhausen sind ja nun extrem schwer. Ihr Vater war glaube ich Dirigent eines Ensembles für alte Musik in Holland. Ihre Verdienste für die Stockhausen-Ausgabe sind auch nicht zu unterschätzen, finde ich. Viele der komplizierten Partituren hat sie per Hand gezeichnet. Das ist eine unglaubliche Arbeit!

                        Beste Grüße
                        Holger

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                          Zitat von carlinhos Beitrag anzeigen
                          Stockhausen auf Vinyl rauszubringen, aber nicht einmal so grundlegende Begriffe wie "Musique concrète" zu kennen. Und "Etude" wird ja normalerweise auch nicht übersetzt.

                          klingt nach Maschine...

                          lg
                          reno

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                            Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                            Ihre Verdienste für die Stockhausen-Ausgabe sind auch nicht zu unterschätzen, finde ich. Viele der komplizierten Partituren hat sie per Hand gezeichnet.
                            Sie macht auch inzwischen immer häufiger die Klangregie am Mischpult, z.B. bei der Uraufführung des kompletten Sonntag letztes Frühjahr in Köln. Und auch die Gesten bei Inori, eine entsprechende Aufführung wird bald in Paris stattfinden.

                            Gruß,
                            Markus

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                              Zitat von ruedi01 Beitrag anzeigen
                              Also ich habe noch keinen Mathematiker getroffen, der sich ernshaft Gedanken darüber macht, ob ihm eine Gleichung (ein Lösungsweg) gefällt oder nicht. Er interessiert sich dafür, ob das Ergebnis richtig ist.

                              Gruß

                              RD
                              Das ist vällig falsch.

                              Echte Mathematiker sind begeistert von Lösungsansätzen! Die sehen in den Gleichungen ebenso eine gewisse Ästhetik wie andere in der Musik ;-)


                              Und zum Vergleich der Geigen: warum sollen sie denn nicht unterschiedlich klingen?

                              Vergleicht man eine 50 Euro Akustik-Gitarre mit einem Modell, dass z.B. 3500 Euro kostet, dann liegen klangliche Welten dazwischen ...

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                                Hallo

                                Zitat von ruedi01 Beitrag anzeigen
                                Also ich habe noch keinen Mathematiker getroffen, der sich ernshaft Gedanken darüber macht, ob ihm eine Gleichung (ein Lösungsweg) gefällt oder nicht. Er interessiert sich dafür, ob das Ergebnis richtig ist.
                                Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
                                Aber wenn ich richtig informiert bin, dann legen Mathematiker schon großen Wert auf die "Schönheit" eines Beweises. Ich glaube, Marcus du Sautoy hat in "Das Geheimnis der Symmetrie" einiges dazu geschrieben. Müßte ich noch einmal nachlesen.
                                Zitat von ra Beitrag anzeigen
                                da fällt mir immer wieder ein physiker des cern ein, der sagte "es muss wahr sein, weil es so schön ist".
                                harmonie ist reine mathematik, musik ebenso.
                                ob blütenblätter, sonnensysteme, galaxien oder weizenhalme - ohne geht nix.
                                Paul Dirac sagte auch sowas
                                Aber wer ist Paul Dirac?

                                LG
                                Babak
                                Grüße
                                :S

                                Babak

                                ------------------------------
                                "Alles was wir hören ist eine Meinung, nicht ein Faktum.

                                Alles was wir sehen ist eine Perspektive, nicht die Wahrheit!"


                                Marcus Aurelius

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