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Klassische Musik und Bürgertum

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    Klassische Musik und Bürgertum

    Auskopplung aus einem anderen Thread

    Hallo Holger,
    ich habe ja auch nichts gegen den entsprechenden Informationsaustausch, nur sollte man dazu IMHO einen separaten Thread aufmachen, weil es hier, wo es um Tonträgerwiedergabe geht, nicht passt und auch in dem Zusammenhang falsch interpretiert werden kann.

    Viele Grüße
    Peter Krips

    P.S. übrigens hat man den Dynamikumfang des Ohrs bzw. die Pegel auch mit Mikrofonen gemessen (mit was den sonst ?), soviel zum Thema, Mikrofone könnten nicht mithalten.....

    #2
    &quotas Problem" ist kein Problem, es ist eine Freude!

    Tag erneut,

    noch ein Pseudo-Problem, hier das vermeintliche Manko, eine akustische Vertauschbarkeit von Vorlage (Aufführung, Aufzeichnung, Darbietung) und medialer Wiedergabe nicht herstellen zu können. - Es geht in Musik, aber auch in Warenökonomie (Pop-Konzerte, Bierzeltauftritten von Schlagersängern oder Schlagersängerinnen) immer um das Prinzip Steigerung der Effekte, der Ausdrucksladung! Somit ist immer eine Bearbeitung im Sinne von Kunstwollen und Kunstbedürfnis unvermeidlich, oder es geht um eine Bearbeitung für "Profit and Fun" (Bob Katz).

    Merke: Wo das Rohe war, soll Gekochtes werden (nach S. Freud).

    Freundlich
    Albus

    Zusatz: Gegen Gustav Mahler steht Bob Katz, auch die Beobachtung, dass in der akustischen Umwelt die Naturlaute und die Menschenlaute gegenüber dem WMV-Lärm absinken (Werkzeug-, Maschinen-, Verkehrslärm, Unterhaltungslärm [meine Ergänzung]); nach Bob Katz hören die heutigen Menschen schlechter und immer schlechter.
    Zuletzt geändert von Gast; 28.08.2010, 18:54.

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      #3
      Zitat von Albus Beitrag anzeigen
      Tag erneut,

      noch ein Pseudo-Problem, hier das vermeintliche Manko, eine akustische Vertauschbarkeit von Vorlage (Aufführung, Aufzeichnung, Darbietung) und medialer Wiedergabe nicht herstellen zu können. - Es geht in Musik, aber auch in Warenökonomie (Pop-Konzerte, Bierzeltauftritten von Schlagersängern oder Schlagersängerinnen) immer um das Prinzip Steigerung der Effekte, der Ausdrucksladung! Somit ist immer eine Bearbeitung im Sinne von Kunstwollen und Kunstbedürfnis unvermeidlich, oder es geht um eine Bearbeitung für "Profit and Fun" (Bob Katz).

      Merke: Wo das Rohe war, soll Gekochtes werden (nach S. Freud).
      Sehr treffend, Albus. "Das Rohe und das Gekochte" - soll meinen Levi-Strauss und nicht Freud? :M

      Beste Grüße
      Holger

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        #4
        Tag erneut,
        und Tag Holger,

        mit Absicht 'vermengt'. Freud: "Wo Es war, soll Ich werden" mit L-St.-Titel "Das Rohe und das Gekochte".

        Freundlich
        Albus

        Kommentar


          #5
          Zitat von Albus Beitrag anzeigen
          mit Absicht 'vermengt'. Freud: "Wo Es war, soll Ich werden" mit L-St.-Titel "Das Rohe und das Gekochte".
          Das hat wahrlich "Witz"!

          Beste Grüße
          Holger

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            #6
            Tag erneut,

            Spalatro - lasse doch den Wittgenstein beiseite, denn der ist für Leute mit ethischer Inspiration und ethischem Verständnis. - Greift ein philosophischer Laie zum Satz 7 "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.", dann sei der interessierte Laie auf die briefliche Empfehlung des Autors Ludwig Wittgenstein an Ludwig von Ficker hingewiesen: zum besseren Verständnis lese man vom Tractatus das Vorwort und den Schluß (Brief an Ludwig von Ficker vom Oktober oder Anfang November 1919). Der Tractatus besteht nämlich aus zwei Teilen, sagt der Autor: "aus dem, der hier vorliegt und aus alledem, was ich nicht geschrieben habe." - Merke: Es ist nie so simpel, wie der Ritualist es auffasst.

            Freundlich
            Albus

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              #7
              Zitat von Albus Beitrag anzeigen
              Spalatro - lasse doch den Wittgenstein beiseite, denn der ist für Leute mit ethischer Inspiration und ethischem Verständnis.
              Und, willst du mir das etwa absprechen?

              Zitat von Albus Beitrag anzeigen
              Der Tractatus besteht nämlich aus zwei Teilen
              Keine Angst, ich weiß schon, wovon ich rede, wenn ich dir den W. vor die Füße werfe. Du wirst dich erinnern, daß der zentrale Begriff in diesem Zusammenhang "Unsinn" heißt.

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                #8
                Klassische Musik und Bürgertum

                Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                Ein solches Lamento habe ich jedenfalls nicht angestimmt - und es war auch gar nicht meine Absicht!
                Das war nicht speziell an dich gerichtet, sondern eher ein allgemeines Stimmungsbild. Ist mir klar, daß sich jetzt keiner vordringlich damit identifizieren wird.

                Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                Nur traditionelle Musik verlangt so etwas nicht, sie verbietet es sogar! Wer bei einem Klavierabend oder Symphoniekonzert im Saal umherwandeln möchte, dem geht es nicht um das Hören dieser Musik, wie es der Komponist verlangt, was also ihr Anspruch ist!
                Du siehst das (wie immer, muß ich leider sagen) aus der völlig verengten Sicht des spätbürgerlichen Konzertbetriebes. Noch im 18. Jahrhundert war das ganz anders, da ließ man sich Essen und Prostutierte in die Opernloge kommen. Außerhalb der Klassikszene gibt es das angenagelte Herumsitzen im Konzertsaal so gut wie gar nicht. Der in diesem Forum recht beliebte Friedrich Gulda hat sogar einmal versucht, durch Aufhebung dieser Beschränkung klassische Konzerte für das jugendliche Publikum zu öffnen (Stichwort "Mozart for the people").

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                  #9
                  Hallo zusammen

                  Zur Zeit Beethoven's war m.E. der Expertenanteil im Publikum viel höher als heute.

                  Die Adligen / Vips begannen schon während der Aufführung zu diskutieren und zu kritisieren.
                  Es gab nach meiner Ansicht damals auch noch keine so strenge Trennung zwischen Aufführenden und Publikum.

                  Gruss Beat
                  Make it or break it ;)

                  Kommentar


                    #10
                    Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                    Du siehst das (wie immer, muß ich leider sagen) aus der völlig verengten Sicht des spätbürgerlichen Konzertbetriebes. Noch im 18. Jahrhundert war das ganz anders, da ließ man sich Essen und Prostutierte in die Opernloge kommen. Außerhalb der Klassikszene gibt es das angenagelte Herumsitzen im Konzertsaal so gut wie gar nicht. Der in diesem Forum recht beliebte Friedrich Gulda hat sogar einmal versucht, durch Aufhebung dieser Beschränkung klassische Konzerte für das jugendliche Publikum zu öffnen (Stichwort "Mozart for the people").
                    Das ist mir mit Verlaub gesagt zu viel linke Ideologie (obwohl ich nun wahrlich nichts gegen Linke habe, bin im Grunde auch einer! ) und zudem musiksoziologisch unpräzise. Das Musikhören im 18. Jahrhundert war einerseits zweckgebunden, aber man vermischte dabei die Zwecke. Es war schon ein Unterschied, ob man sich in der Oper, im Salon, in der Kirche, beim adeligen Bankett oder im öffentlichen Konzert befand. Ironisch ist anzumerken, daß der Vorwurf des "Bürgerlichen" von den Romantikern gegen genau dieses 18. Jahrhundert erhoben wurde. Als miefig "bürgerlich" (Robert Schumann sagt "philisterhaft") empfanden sie eben die typisch bürgerliche Vermischung der Zwecke, das man nicht klar trennte zwischen Vergnügen, moralischem Anspruch und der ästhetisch zweckfreien Betrachtung, Musik um ihrer selbst willen zu hören. Die Romantiker haben dieses "angenagelte Herumsitzen" proklamiert, weil sie Musik als eine Form von "Andacht", als eine Art von Kunstreligion, verstanden. Sozial waren die führenden Köpfe der Romantiker nicht zufällig zumeist Adlige! Die "verengte Sicht" haben aus der Sicht der Romantiker diejenigen, die Kunst und Musik nur zur als Mittel zum Zweck der eigenen Bedürfnisbefriedigung betrachten - ihnen fehlt der weite Blick auf die metaphysische Dimension der Kunst. Das können die Linken von heute dann freilich als "l´art pour l´art" verspotten, das ist aber ziemlich billig. Es gibt als soziale Entwicklung schließlich das, was so große Soziologen wie Emile Durkheim und Georg Simmel "soziale Arbeitsteilung" bzw. "soziale Differenzierung" genannt haben. Diese Entwicklung (Niklas Luhmann nennt das im Anschluß an Durkheim und Simmel "Ausdifferenzierung") hat auch vor der Musik, dem Konzertbetrieb, nicht Halt gemacht. Seit dem 19. Jahrhundert hat man eben unterscheiden gelernt, zu welchen Zwecken man Musik hört oder betreibt: um ihrer selbst willen, zur Unterhaltung, wegen eines liturgischen Zwecks, zur Belustigung beim Tanz usw. "Vermischungen" werden eben auch sozial nicht mehr akzeptiert, letztlich auch von den Komponisten nicht. Diese Entwicklung ist irreversibel - man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Von daher ist das, was der Exzentriker Gulda gemacht hat, ein provokanter Gag, mehr nicht - letztlich ist das ein Anachronismus! Eine Bruckner-Symphonie mit ihrem romantisch-religiösen Ernst ist nicht geeignet zur Beschallung einer Table-Dance-Bar. Wer so etwas möchte und das als Kritik an der "verengten Sicht der spätbürgerlichen Konzertbetriebs" verkaufen wollte, der ist für meinen Geschmack nicht ganz bei Trost!

                    Beste Grüße
                    Holger
                    Zuletzt geändert von Gast; 30.08.2010, 16:55.

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                      #11
                      Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                      Die "verengte Sicht" haben aus der Sicht der Romantiker diejenigen, die Kunst und Musik nur zur als Mittel zum Zweck der eigenen Bedürfnisbefriedigung betrachten - ihnen fehlt der weite Blick auf die metaphysische Dimension der Kunst.
                      Mit verengter Sicht meine ich, daß du in deinen Beiträgen praktisch ausschließlich aus dem Blickwinkel des klassischen Konzertbetriebes heraus argumentierst und die Bedürfnisse und Besonderheiten anderer Musikkulturen völlig außer acht läßt. Der durchschnittliche Headbanger würde sich schön bedanken, wenn man ihm zumutete, während eines Konzerts schön brav stillzusitzen und sich nicht vom Fleck zu rühren - was ja schon alleine wegen der nicht vorhandenen Sitzgelegenheiten gar nicht in Betracht kommt.

                      Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                      Diese Entwicklung ist irreversibel - man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.
                      Ebensowenig kann man es aber am Weiterdrehen hindern und aus der geschichtlichen Entwicklung zu schließen, daß der gegenwärtige Zustand ein endgültiger ist, ist meines Erachtens verfrüht. Es ist dir sicher bewußt, daß die heutige Hochkultur in unseren Breiten ein hochsubventionierter Defizitbetrieb ist, der ohne die Zuschüsse der öffentlichen Hand keine Überlebenschance hat. Zwar hat sich gerade erst eine große Mehrheit der Deutschen dahingehend geäußert, daß klassische Musik und Oper ein notfalls auch mit Steuergeldern zu erhaltendes Kulturgut darstellen ( http://www.bertelsmann-stiftung.de/c...ten_102441.htm ), aber bei den Jungen ist diese Haltung bereits im Abbröckeln. Und wenn die gesellschaftliche Unterstützung für derartige Projekte erst einmal wegfällt, ist es aus dem dem frohen Konzertleben, dann ist wieder Hausmusik mit Klaviertrio angesagt oder bestenfalls eine Schubertiade ohne Schubert. - An die "Kunstreligion" glaubt heute sowieso keiner mehr, die Postmoderne ist eher dem Eklektizismus und der Vermischung zugeneigt.

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                        #12
                        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                        Auch politisch ist dieses Argument weltfremd, wie das Beispiel Dresden oder Leipzig zeigt. Nach der Wende wurden dort nicht die Konzerthäuser dicht gemacht. Im Gegenteil! Große internationale Unternehmen sind nicht bereit, Millionen zu investieren in eine Region, wo eine kulturelle Wüste herrscht. Sie gehen selbstverständlich dort hin, wo es eine Semper-Oper oder ein Gewandthaus gibt mit internationalen Renome.
                        Beste Grüße
                        Holger
                        Sorry Holger,

                        wenn ich ,als alter Ossi, dich da korrigieren muss. Sowohl Gewandthaus als auch Semperoper wurden von den Kommunisten gebaut und nach der Wende kaum verändert. Ich weiss das noch genau, weil der technische Leiter der Semperoper ein Studienkollege von mir war, sie war damals gerade im Wiederaufbau. Das war dem ziemlich maroden Staat nicht leicht gefallen, aber Ziel war eben die "allesitig gebildete sozialistische Persönlichkeit", wie es damals hiess. Brauchen wir aber heute nicht mehr.

                        Gruss Helmut

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                          #13
                          Hallo Allerseits,
                          habe ich schon mal erwähnt, daß mir das verkopfte, elitäre Getue um die "E-Musik" gewaltig auf den Geist geht ?
                          Dann auch noch die Gleichsetzung der intensiveren Beschäftigung mit der E-Musik mit Bildung , "höherer" Kultur und natürlich mit Intellekt.

                          Man sollte nicht vergessen, daß viele der heute so andächtig beweihräucherten klassischen Werke schlicht Auftragsarbeiten gegen Cash zur Belustigung elitärer adliger (das Volk ausbeutender) Kreise waren.
                          Und zu jener Zeit war vieles, was heute als ach so wertvolle e-Musik gilt schlicht Unterhaltungsmusik überwiegend für die genannten Kreise.
                          Daß man dieses elitäre Getue meint, bis in die heutige Zeit hinüberretten zu müssen, finde ich einigermaßen befremdlich.

                          Außer, man hat beruflich damit zu tun, was ist es denn wirklich:

                          Ein special interest, genauso intellektuell wertvoll wie der ambitionierte Briefmarkensammler oder Lautsprecherbauer oder Käfersammler oder Hobbyastronom oder, oder, oder...:P

                          Ob das, was heutzutage in viele klassische Werke hineininterpretiert wird, auch tatsächlich die Intention der Komponisten war ?
                          Erinnert mich irgendwie an Goethe, 1/2 Meter eigene Werke 1000ende von Metern Werke über Goethe.:F:

                          Noch etwas zum Schluß:
                          eigentlich müsste ich gegen Vorlage meiner Steuererklärung freien Eintritt in Museen, Theatern, Opernhäusern etc. bekommen und selbstverständlich auch Tonträger von Orchestern umsonst bekommen, die ich ohnehin schon mit meinen Steuergeldern mit am Leben gehalten habe.

                          Genug jetzt, sonst geht der Gaul mit mir noch vollends durch......

                          Gruß,
                          der Proll und Banause
                          Peter Krips

                          P.S. Dennoch höre ich gerne eher sogar überwiegend Klassik (meist Großorchestrales), weil es mir gefällt und das ist mein Kriterium.
                          Ob der Komponist beim Schreiben der Partitur gerade Blähungen, Depressionen oder eine glückliche oder unglückliche Liebesbeziehung hatte, interessiert mich nicht wirklich.
                          Und wenn mir eine Musik nicht gefällt, dann mag ich sie nicht mehr anhören, auch dann nicht, wenn irgendein Text mir sagt, wie wichtig, wertvoll, tiefschürfend und unverzichtbar das Werk doch sei.

                          Kommentar


                            #14
                            Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                            Der Einwand, daß dem fixen Hörplatz im Klanggeschehen Bedeutung zukommt, stammt doch von dir:

                            Und eine solche "Festlegung der Hörposition" gibt es eben bei den meisten Live-Konzerten außerhalb des Klassikbereiches eher nicht, das werden dir andere, denen du vielleicht mehr glaubst, sicher gerne bestätigen. Wenn überhaupt, dann ist diese Festlegung eine Bedingung der Aufnahme, aber sicher nicht des Konzerts an sich.



                            (Hier der Einsteigerkurs für Lernwillige: http://www.youtube.com/watch?v=xS5o0bZT4zY)
                            Jetzt finde ich geht das Argumentationsniveau doch abwärts. Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob wirklich alle Musik eine Festlegung der Hörposition benötigt. Es reicht, wenn es eine ganz bestimmte Musik so fordert, die zudem einen doch nicht unerheblichen Teil des Repertoirs ausmacht. Dann muß die Musikwiedergabe das auf jeden Fall gewährleisten können, daß diese reproduzierbar ist. Nicht mehr und nicht weniger.

                            Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                            Nein. Der Punkt ist, daß die von dir angesprochene Entwicklung -



                            - keineswegs einen historisch notwendigen Endzustand darstellt. Es bedarf keiner großen gesellschaftlichen Umwälzungen, um dieses Gefüge wieder in Bewegung zu bringen. Um das zu begreifen, muß man nur gewisse schon jetzt vorhandene Trends weiterdenken.
                            Da hast Du ein schlechtes Gedächtnis. Ich habe das Beispiel Stockhausen gebracht, der sich der "Bewußtseinserweiterung" verschrieb, gegen die traditionellen Hörgewohnheiten. Ich habe ja nun genug Stockhausen-Konzerte erlebt, die so gut wie nichts mehr mit dem zu tun hatten, was ein traditionelles Konzert ist. Es gibt ein Gespräch zwischen Gustav Mahler und Johannes Brahms beim Spazierengehen, von dem Arnold Schönberg berichtet. Brahms war melancholisch und meinte, die Kunst hätte ihren absoluten Gipfel erreicht. Darauf zeigte Mahler auf den Fluß: "Sehen Sie die letzte Welle?" Darum geht es doch nicht. Es wird immer Neues geschaffen. Aber jede Kunst in einer bestimmten Epoche hat ihre speziellen Hörgewohnheiten ausgeprägt und die sich daraus ergebenden Ansprüche. Für die Epoche der Klassik und Romantik und darüber hinaus auch die "Klassiker" der Moderne gilt da u.a. die festgelegte Hörposition. Daran kann keine Zukunft etwas ändern - denn anderenfalls wird man dieser Musik nicht mehr gerecht, nimmt sie nicht mehr ernst. Das wäre dann ungefähr so, als käme ein Picasso und wollte einen Rembrandt "ummalen", weil das eben jetzt so "modern" sei.

                            Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                            Na siehst du, so schnell kann das gehen.

                            Nochmal zur Erinnerung, wieso das hier steht: Du beanspruchst für deine ästhetischen und künstlerischen Kriterien eine (auch zeitlich) umfassende Geltung, die sie einfach nicht haben. - Die Postmoderne wird sich auch nicht wieder weggehen, nur weil sie dir suspekt ist.
                            Ich beanspruche überhaupt nichts dergleichen, sondern lediglich, daß es zum Respekt einem Kunstwerk gegenüber gehört, daß man seine historisch gewachsenen Ansprüche achtet und nicht mit den eigenen verwechselt. Ich habe auch nichts generell gegen die Postmoderne. Die ist aber ein komplexes Phänomen. Es gibt die anspruchsvolle Postmoderne eines Jean-Francois Lyotard, der sie nicht als Epochenbegriff, sondern als eine andere Lesart, eine "redigierte Moderne" versteht, welche das Heterogene, Andersartige, Differente betont. Hierin gehören auch Michel Foucault, Jacques Derrida und Gilles Deleuze mit seinem Modell des "Rhizoms". In der Musik gibt es entsprechend anspruchsvolle "postmoderne" Strömungen wie z.B. Alfred Schnittke, den ich natürlich sehr schätze. Aber eben auch dieser sehr flache Postmoderne-Diskurs mit diesem populistischen Cross-Over-Geschwätz. Dieser Anspruch, "Oben" und "Unten" zu versöhnen, ist ja nun überhaupt nicht neu - ein alter Hut, alter Wein in neuen Schläuchen. Da hat es weiß Gott anspruchsvollere Angebote gegeben in der näheren und weiteren Vergangenheit, die man wirklich ernstnehmen kann.

                            Das hatte ich vergessen: Romantik, Metaphysik und Kunstreligion, das ist sehr wohl präsent geblieben - z.B. in der abstrakten Kunst oder gerade auch avantgardistischer Neuer Musik. Eines der eindrucksvollsten Beispiele: Sofia Gubaidulina.

                            Beste Grüße
                            Holger

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                              #15
                              Zitat von P.Krips Beitrag anzeigen
                              Noch etwas zum Schluß:
                              eigentlich müsste ich gegen Vorlage meiner Steuererklärung freien Eintritt in Museen, Theatern, Opernhäusern etc. bekommen und selbstverständlich auch Tonträger von Orchestern umsonst bekommen, die ich ohnehin schon mit meinen Steuergeldern mit am Leben gehalten habe.
                              Du mußt es anders sehen:

                              Jedes durchschnittliche Theater im deutschen Sprachraum lebt zu drei Vierteln von Subventionen. D.h. auf jede Eintrittskarte von (sagen wir) 50 Euro legt der Staat noch einmal 150,- drauf.

                              Geh einmal in der Woche ins Theater - und schon hast du dir einen schönen Batzen von deinem sauer verdienten Steuergeld wieder zurückgeholt.

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